Oscar-Nominierungen 2018, meine November-Prognose


Heute ist der 30.11.17, in der Zwischenzeit ist viel passiert und für mich Zeit, eine neue Prognose zu den Oscar-Nominierungen- und Gewinnern 2018 zu veröffentlichen.

Jede Oscar-Saison hat mindestens einen Skandal. Als ich Ende September 2017 meine erste Prognose zu den Oscar-Nominierungen 2018 veröffentlicht habe, hat es mich noch selbst gewundert, dass noch kein Skandal in Sicht war. Dafür kam es Anfang Oktober um so dicker.

Auch wenn mittlerweile mit #MeToo eine richtige Bewegung entstanden ist, in der sämtliche Frauen (aber auch Männer) sexuelle Belästigungen und Übergriffe anprangern, hat alles mit dem Harvey Weinstein-Skandal begonnen. Am 5.10.17 wurde Harvey Weinstein zunächst in einem New York Times-Artikel und später in einem Artikel im The New Yorker beschuldigt, über dreißig Jahre zig Schauspielerinnen, Angestellte oder Journalistinnen sexuell belästigt oder gar vergewaltigt zu haben. Seither bestimmt quasi nur noch ein Thema die (Entertainment)-Nachrichten: Die sexuellen Belästigungen von Harvey Weinstein und zahlreicher anderer prominenter Produzenten, Regisseure, Schauspieler, Agenten, Moderatoren, etc.

Hollywood räumt auf. Es sind einfach zu viele unappetitliche Dinge ans Tageslicht geraten (und ich bin mir sehr sicher, dass einige einflussreiche Männer derzeit zittern, dass ihre Vergehen ans Licht kommen), ich kann nicht zu jedem Mann, der übergriffig wurde, Stellung nehmen. Ich bleibe daher bei zwei Personen, die die diesjährigen Oscars am meisten beeinflussten: Kevin Spacey und Harvey Weinstein. Beide verbindet, höflich gesagt, sexuelles Fehlverhalten und definitiv, dass ihre Karriere in Hollywood vorbei ist. Es ist dabei auch nicht gänzlich unrealistisch, dass sie am Ende im Gefängnis landen könnten.

Kevin Spacey war mal einer meiner Lieblingsschauspieler, seit „Glengarry Glen Ross“ habe ich seine Arbeit verfolgt, bin sogar 1999 extra nach New York geflogen, um ihn am Theater („The Iceman Cometh“) spielen zu sehen. Dass er schwul ist, war nie ein Geheimnis, dass er jüngeren Männer bevorzugt auch nicht. Etwas überrascht hat mich, in welchem Ausmaß er Männer sexuell belästigt haben soll. Bei Harvey Weinstein verhält es sich ähnlich. Er war nie als Sympathie-Granate bekannt, dass er es aber über drei Jahrzehnte unzählige Frauen (und darunter auch bekannte Schauspielerinnen) sexuell belästigt bzw. vergewaltigt haben soll und anschließend mit Drohungen und Geld zum Schweigen gebracht haben soll, hat mich dann doch überrascht. Hätte er das Geld nicht gleich für Escort-Ladies ausgeben können? So ein Männerhirn werde ich nie verstehen. Irgendwann kommt alles raus – immer. Diese Lawine wurde durch zwei Zeitungs-/Zeitschrift-Artikel ausgelöst, dass der Skandal sich weltweit wie ein Lauffeuer verbreitet hat, ist jedoch den sozialen Medien zu verdanken.

Beruflich hat mir Harvey Weinstein immer imponiert. Man kann soweit gehen und sagen, dass er Hollywood und die Oscars verändert hat. Er war mit Miramax Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre der erste erfolgreiche Indie-Produzent. Früher gab es nur die mächtigen Hollywood-Studios. Beispielsweise hätte damals kein Hollywood-Studio eines von Quentin Tarantinos Filmen produziert. Harvey Weinstein hat ihm die Chance gegeben, wie vielen anderen jungen Filmschaffenden auch.

Seitdem ich mich mit den Oscars beschäftigte, war Harvey Weinstein da und irgendwie immer im Zentrum der Oscars. Er hat die Oscar-Kampagnen, wie sie heutzutage existieren, geschaffen. Er hatte immer ein gutes Händchen bei der Filmauswahl und er war seinerzeit einzigartig in der Vermarktung von Filmen. Vor allen Dingen wusste er immer, was der (alten) Oscar-Academy gefällt. Diese Filme hat er dann gewählt und falls sie in seinen Augen noch nicht perfekt waren, hat er sie (für die Oscars) passend gemacht. Harvey Weinstein war beruflich gefürchtet und nicht umsonst hatte er den Spitznamen „Harvey Scissorhands“. Fast immer hat er den Regisseuren in ihren Film reingeredet, er ordnete Nachdrehs an, liess das Ende ändern oder überhaupt den ganzen Film „überarbeiten“ . Die meisten Regisseure hatten, wenn er den Film produzierte, keinen „Final Cut“, keine Kontrolle mehr über ihre eigenen Filme. Einige Filme hat er sicherlich kaputt schneiden lassen. Am Ende hatte er aber immer mindestens einen Film oder eine Performance aus seinen Filmen, der/die bei den Oscars eine (meist nicht unerhebliche) Rolle spielte (n).

Vor fast 20 Jahren, im Jahr 1998, ist Harvey Weinstein bei den Oscars mit seinem Film „Shakespeare in Love“ gegen Steven Spielbergs „Saving Private Ryan“ angetreten. Damals hat er seine erste Flüster- (oder Schmutz)-Kampagne (in diesem Fall gegen Spielbergs Film) losgetreten. Am Ende hat sein Film gewonnen. Er hat oftmals nicht mit ganz legalen Mitteln gespielt, er kannte viele in der Academy, hat Oscar-Strategen eingesetzt, damit sein Film, seine Schauspieler für die Oscars nominiert wurde (n), bzw. gewannen. Oscars waren mit Harvey Weinstein immer eine Idee spannender. Er hat Gwyneth Paltrow, Judi Dench, Kate Winslet, Jennifer Lawrence u.v.m. zu ihrem ersten Oscar verholfen, Meryl Streep zu ihrem dritten. Der TWC-Website zufolge haben Miramax und The Weinstein Company unter Harvey und Bob Weinstein 341 Oscar-Nominierungen und 81 Oscar-Gewinne verbuchen können. Mittlerweile ist er von seiner Frau, seiner Firma, von der Producers Guild of America und von AMPAS vor die Tür gesetzt worden. Anders konnte die Oscar-Academy wahrscheinlich nicht reagieren, er ist jedoch erst das zweite Academy-Mitglied, das von AMPAS rausgeschmissen wurde. Nun kann man natürlich fragen, was ist mit Woody Allen, Roman Polanski, Mel Gibson oder Bill Cosby, etc.? Woody Allen hat vier Oscars gewonnen, wurde demnach definitiv von der Academy als Mitglied eingeladen. Er wollte aber selbst nie Mitglied der Academy sein und ist es bis zum heutigen Tag nicht. Soweit ich weiß, ist Roman Polanski Mitglied der Academy und Mel Gibson sowieso. Hier kann man sich vielleicht streiten, warum die immer noch Mitglied sind. Ich weiß definitiv, dass Bill Cosby ein Academy-Mitglied ist und wenn AMPAS konsequent wäre, müssten sie ihn auch aus der Academy schmeißen. Generell bin ich der Meinung man sollte unterscheiden zwischen jemanden, der sich einmal einen Fehltritt leistet und dann Buße tut und jemanden der sexuellen Missbrauch über Jahre oder Jahrzehnte begeht.

In den letzten Monaten wurde viele Männer aufgrund ihrer sexuellen Vergehen entlassen und das ist auch richtig so. Anfang Oktober 2016 sind Tonband-Aufnahmen von Donald Trump an die Öffentlichkeit gelangt, darauf hat er freimütig und voller Stolz erzählt, wie er anderen Frauen an ihr Geschlechtsteil grabscht…er ist jedoch vier Wochen später zum U.S. Präsidenten gewählt worden und bis heute im Amt.

Zurück zu den Oscars: Der Form halber sei noch erwähnt, dass ich es etwas schade finde, dass der durchaus gelungene TWC-Film „Wind River“ (mit einer exzellenten Performance von Jeremy Renner) jetzt durch den Weinstein-Skandal wohl kaum eine Chance auf Oscar-Nominierungen hat .

Anderes Thema. Steven Spielbergs „The Post“ und Paul Thomas Andersons „Phantom Thread“ wurden Mitte November das erste Mal gezeigt. (Derzeit stehen die Filme noch unter Embargo). Der einzige mögliche Oscar-Kandidat, der dieses Jahr noch nicht gezeigt wurde, ist, Ridley Scotts „All the Money in the World“. Der Film war bereits fertiggestellt und sollte als Abschlussfilm auf dem AFI Fest gezeigt werden. Dann wurde Kevin Spacey öffentlich der sexuellen Nötigung eines Jungen und des sexuellen Missbrauchs von anderen Männern beschuldigt und Ridley Scott hat kurzerhand entschlossen, Kevin Spacey aus seinem Film zu schneiden. Ridley Scott wollte sowieso ursprünglich Christopher Plummer in dieser Rolle sehen, das Studio wollte jedoch einen größeren Namen und so fiel die Wahl auf Kevin Spacey. Nachdem der Spacey-Skandal publik wurde, flog Ridley Scott nach New York, traf sich mit Christopher Plummer, überzeugte ihn, in seinem Film mitzuspielen, und liess besagte Szenen nachdrehen. Diese Hauruck-Aktion hat rund 10 Millionen Dollar gekostet und 10 Drehtage gedauert und seit gestern (dem 29.11.17) ist „All the Money in the World“ fertiggedreht, jetzt bekommt der Film noch einen Feinschliff im Schneideraum und dann wird er Mitte Dezember der Presse gezeigt, geht in die Academy-Screenings und ab dem 22.12.17 wird man den Film in den amerikanischen Kinos sehen. Heute wird der englische Filmemacher 80 Jahre alt, Hut ab, dass er das hinbekommen hat. Jetzt bin ich gespannt auf den fertigen Film. Die nicht ganz fertige Fassung seines Films wird bereits am 4.12. der HFPA für mögliche Golden Globe-Nominierungen gezeigt.

Das Filmjahr 2017 hat also Form angenommen, die ersten Kritikerpreise wurden verliehen. (Bester Film bei den Gotham Awards: Call Me by Your Name, National Board of Review: The Post, New York Film Critics Circle: Lady Bird)

Auch ich habe in der Zwischenzeit viele Filme, die irgendwann mal in irgendeiner Kategorie für Oscar-Nominierungen im Gespräch waren bzw. sind, gesehen (aufgelistet in der Reihenfolge, in der ich sie tatsächlich gesehen habe):

Menashe, Call Me by Your Name, Get Out, Logan, „Personal Shopper“, „Your Name“, Alien: Covenant, „Risk“, Wonder Woman, „Okja“, The Big Sick, Baby Driver, War for the Planet of the Apes, Spider-Man: Homecoming, Dunkirk, Detroit, The Glass Castle, Wind River, mother!, „First They Killed My Father“, „The Lost City of Z“, „My Cousin Rachel“, „Lady Macbeth“, Battle of the SexesStronger, Last Flag Flying, „Victoria & Abdul“, Brad´s Status, The Florida Project, The Square, Lucky, The Meyerowitz Stories (New and Selected), „The Beguiled“, Blade Runner 2049, The Mountain Between Us, Breathe, The Killing of a Sacred Deer, Suburbicon, Only the Brave, Thank You for Your Service, „Thor: Ragnarok“, Three Billboards Outside Ebbing, Missouri, Lady Bird, „Mudbound“, Roman J. Israel, Esq., Coco, Novitiate Ein Update erfolgt regelmäßig. Update: The Disaster Artist, The Shape of Water, Darkest Hour, „Good Time“, „Ingrid Goes West“, All the Money in the World, Phantom Thread, I, Tonya, Molly´s Game, The Post, „Strong Island“

Ich habe in diesem frühen Stadium (mit den Filmen, die ich bereits gesehen, aber auch von denen ich nur gehört oder gelesen habe) das Filmjahr 2017 Revue passieren lassen. Ende November 2017 gehen die meisten Oscar-Experten immer noch davon aus, dass „Dunkirk“ den Oscar als Bester Film gewinnt. Derzeit kann ich mir im ersten Regierungsjahr von U.S. Präsident Donald Trump, in der zig männliche Sextäter in der Entertainment-Branche geoutet wurden und werden, nicht vorstellen, dass wieder ein Film den Oscar gewinnt, bei dem Frauen gar keine Rolle spielen oder einzig die Aufgabe haben, den Mann gut aussehen zu lassen. Ich glaube (und hoffe) dass es ein Film den Oscar gewinnt,  bei dem eine Frau die zentrale Rolle spielen wird. Der letzte Oscar-Gewinnerfilm mit einer weiblichen Hauptrolle, war „Million Dollar Baby“ im Jahr 2004.

Dieses Jahr haben wir gleich mehrere ernstzunehmende Oscar-Kandidaten mit einer weibliche Hauptrolle:

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
Lady Bird
The Shape of Water
The Post
I, Tonya
The Florida Project
Battle of the Sexes
Molly´s Game

Ich glaube tatsächlich, dass einer dieser vier Filme: Three Billboards, Lady Bird, The Shape of Water oder The Post  den Oscar als Bester Film gewinnt. Und wenn ich mich für einen Film entscheide, dann bleibe ich derzeit bei meiner September-Prognose: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri.

Ich gehe derzeit davon aus, dass diese Filme höchstwahrscheinlich für den Oscar nominiert werden, (die ersten fünf bzw. zehn sehe ich dabei am Wahrscheinlichsten).

Best Picture

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
Lady Bird
The Shape of Water
The Post
Call Me By Your Name
Dunkirk
Darkest Hour
Phantom Thread
Get Out
The Florida Project

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Mudbound
All the Money in the World (bisher noch nicht gezeigt)
I, Tonya
The Big Sick
Battle of the Sexes

Best Director

Christopher Nolan (Dunkirk)
Steven Spielberg (The Post)
Guillermo del Toro (The Shape of Water)
Martin McDonagh (Three Billboards)
Greta Gerwig (Lady Bird)
Luca Guadagnino (Call Me By Your Name)
Jordan Peele (Get Out)
Paul Thomas Anderson (Phantom Thread)
Joe Wright (Darkest Hour)
Dee Rees (Mudbound)

Best Actor

Gary Oldman (Darkest Hour)
Daniel Day-Lewis (Phantom Thread)
James Franco (The Disaster Artist)
Tom Hanks (The Post)

Timothée Chalamet (Call Me By Your Name)


Jake Gyllenhaal (Stronger)
Denzel Washington (Roman J. Israel, Esc.)
Harry Dean Stanton (Lucky)
Andrew Garfield (Breathe)

Best Actress

Frances McDormand (Three Billboards)
Saoirse Ronan (Lady Bird)
Sally Hawkins (The Shape of Water)
Meryl Streep (The Post)
Margot Robbie (I, Tonya)


Judi Dench (Victoria & Abdul)
Jessica Chastain (Molly´s Game)
Kate Winslet (Wonder Wheel)
Jennifer Lawrence (mother!)
Diane Krüger (In the Fade)
Brooklynn Prince (The Florida Project)
Emma Stone (Battle of the Sexes)

Best Supporting Actor

Sam Rockwell (Three Billboards)
Willem Dafoe (The Florida Project)
Michael Stuhlbarg (Call Me By Your Name)
Richard Jenkins (The Shape of Water)
Woody Harrelson (Three Billboards)


Michael Shannon (The Shape of Water)
Ben Mendelsohn (Darkest Hour)
Armie Hammer (Call Me By Your Name)
Jason Mitchell (Mudbound)
Garett Hedlund (Mudbound)

Best Supporting Actress

Laurie Metcalfe (Lady Bird)
Alison Janney (I, Tonya)
Holly Hunter (The Big Sick)
Melissa Leo (Novitiate)
Lesley Manville (Phantom Thread)


Octavia Spencer (The Shape of Water)
Carey Mulligan (Mudbound)
Kristen Scott Thomas (Darkest Hour)

Mary J. Blige (Mudbound)

Hong Chau (Downsizing)


Meine erste Prognose zu den Oscar-Nominierungen 2018 (vom 25.09.17) ist hier zu lesen.

Meine Analyse zu dem Oscar-Gewinnerfilm 2018 (vom 19.02.18) ist  hier zu lesen.

2 Gedanken zu “Oscar-Nominierungen 2018, meine November-Prognose

  1. Ich glaube The Post hat die besten Chancen. Die Kombination aus Regie, Schauspieler und Plot riechen nach Best Picture. Call me by your Name hat allein dadurch schon geringere Chancen, dass letztes Jahr Moonlight gewonnen hat.
    Sollte Dunkirk gewinnen, werde ich die Welt nicht verstehen, denn dann hätten andere Kriegsfilme auch ausgezeichnet werden müssen und der Regisseur für andere Filme gewinnen müssen.
    Bei den Schauspielern sehe ich Oldman vorne, bei den Schauspielerinnen bin ich unentschlossen.

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    • „The Post“ ist halt (scheinbar, ich habe ihn noch nicht gesehen) ein typischer alter Academy-Gewinner-Film. Ich glaube mit der neuen Academy haben auch andere Filme eine große Chance, gerade die von mir genannten „Three Billboards“, „Lady Bird“ und „The Shape of Water“ (habe ich leider auch noch nicht gesehen). „Call Me“ ist ein fantastischer Film und ich glaube, dass der viel zugänglicher für auch die alten, weißen Männer in der Academy ist, als es noch „Moonlight“ war. Naja, im Moment ist noch kein Favorit wirklich absehbar. selbst die Kritiker entscheiden sich für unterschiedliche Filme. „Dunkirk“ wäre wirklich eine schlechte Entscheidung, aber kann ich mir auch wirklich gar nicht vorstellen, dass der gewinnt.

      Gary Oldman ist der einzige von dem alle ausgehen, dass er gewinnt, einfach weil es Zeit wird. Ich muss das mit Meryl Streep weiter beobachten, es könnte auch sein, dass sie ihren vierten gewinnt, sie soll überragend sein in „The Post“, sogar für eine Meryl Streep.

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