Die 1. Oscar-Verleihung während der Corona-Pandemie und meine finale Analyse zu den Oscar-Gewinnern 2021


Die längste Oscar-Saison, zumindest an die ich mich erinnern kann, geht nun langsam zu Ende. Morgen, am 22.04.21, sind noch die Independent Spirit Awards, ansonsten sind alle Filmpreisverleihungen vonstatten gegangen und dann folgen nur noch die Academy Awards. Am nächsten Sonntag (25.04.21) ist es nun endlich soweit, es ist die erste (und hoffentlich letzte) Oscar-Verleihung während der Corona-Pandemie. Im Gegensatz zu den ganzen (überwiegend) Zoom-Preisveranstaltungen (Emmys, Golden Globes, Critics´Choice Awards, SAG Awards, BAFTAs etc.) haben sich der Filmemacher Steven Soderbergh und die anderen beiden Produzenten (Stacey Sher und Jesse Collins) für die 93rd Academy Awards etwas anderes ausgedacht. 

Die diesjährige Oscar-Show wird als Präsenzveranstaltung an zwei Orten (innerhalb und außerhalb des Art-Deco-Bahnhofes Union Station und auch im gewohnten Dolby Theatre) in Los Angeles stattfinden. Viele nicht-amerikanische Oscar-Nominierte können – aufgrund der seit über einem Jahr geltenden strikten Einreisebeschränkungen in den Vereinigten Staaten – nicht vor Ort sein, daher hat man sich dazu entschlossen, zusätzlich zu den beiden Locations in Los Angeles, die Oscar-Nominierten auch an Orten in London und Paris einzuladen. Auch in Großbritannien und Frankreich gelten strenge Einreisebeschränkungen, die es nicht allen Nominierten ermöglicht, dort einzufliegen, daher wird dazu noch rund zehn andere zentrale Orte geben, zu denen live zugeschaltet wird. Allein durch die 8 bzw. 9 Stunden Zeitverschiebung zwischen Los Angeles und Europa kein einfaches Unterfangen. Die Academy Awards finden zwischen 1 und 4 Uhr nachts britischer Zeit und zwischen 2 und 5 Uhr nachts auf dem europäischen Festland statt. Das dritte Jahr in Folge wird kein Gastgeber durch den Abend führen. Es wird auch nicht – wie sonst – ein großes Publikum in den jeweiligen Sälen sein. Selbstverständlich gibt es ein Hygiene-Konzept, viele der Macher und Teilnehmer dieser Oscar-Show wurden bereits geimpft und werden vor der Show auf Corona getestet. Masken, so hat sich Steven Soderbergh ausgedrückt, spielen während der 93. Oscar-Verleihung eine wichtige Rolle. Eingeladen sind dieses Jahr nur die Nominierten (plus ein Gast, wenn es die  Corona-Bestimmungen des jeweiligen Landes zulassen) und die Laudatoren. Für die Oscars gibt es natürlich auch einen Dress Code, es wird also keiner in Jogginghose oder Schlafanzug (wie beispielsweise bei den „Zoom“-Golden Globes im Februar) zu sehen sein. Einige Show-Einlagen und Interviews wurden zuvor aufgezeichnet. Das Produzenten-Team der diesjährigen Oscars hat sich mit jedem einzelnen Nominierten zuvor zusammengesetzt (bzw. via Zoom-Meeting) und hat sie von ihren Plänen, eine sehr persönliche Show im Jahr 2021 auf die Beine zu stellen, unterrichtet. Die Oscar-Nominierten wurden ermuntert, falls sie gewinnen, eine erinnerungswerte Dankesrede vorzubereiten. Steven Soderbergh möchte die Oscars 2021 als  3-stündigen Film aufziehen, bei dem jeder Nominierte und jeder Laudator sich anfühlt, als wäre er ein Charakter in dem Film. Auf die Oscars-Show 2021, die sich das Team um Filmemacher Steven Soderbergh ausgedacht hat, darf man also gespannt sein. 

Nicht ganz so spannend ist das diesjährige Oscar-Rennen an sich. Die 9,362 Academy-Mitglieder konnten bis gestern (20.04.21) ihre Stimme abgeben. Jetzt wird nur noch ausgezählt. Klar, kann in dieser ungewöhnlichen und extrem langen (Corona-) Oscar-Saison am Ende alles anders sein, als es momentan aussieht. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man aber – was die meisten Kategorien angeht – schon eine gute Idee davon haben, wie die Gewinner voraussichtlich aussehen. Ich habe mich heute mit den, für die meisten interessantesten sechs Kategorien beschäftigt.

Ich fange mit den Schauspielern an:

Bester Nebendarsteller: 

Nominiert sind:

Sacha Baron Cohen (The Trial of the Chicago 7)

Daniel Kaluuya (Judas and the Black Messiah)

Leslie Odom Jr. (One Night in Miami)

Paul Raci (Sound of Metal)

Lakeith Stanfield (Judas and the Black Messiah)

Relativ wahrscheinlich geht der Oscar an: Daniel Kaluuya (Judas and the Black Messiah)

Es ist nach „Get Out“ Daniel Kaluuyas zweite Oscar-Nominierung und er hat für „Judas“ alles „wichtige“ gewonnen, was es zu gewinnen gab (Golden Globe, Critics´Choice Award, SAG, BAFTA). 

Beste Nebendarstellerin:

Nominiert sind: 

Maria Bakalova (Borat Subsequent Moviefilm)

Glenn Close (Hillbilly Elegy)

Olivia Colman (The Father)

Amanda Seyfried (Mank)

Youn Yuh-jung (Minari

Relativ wahrscheinlich geht der Oscar an: Youn Yuh-jung (Minari)

Lange gab es in dieser Kategorie keinen Favoriten. Die 73-jährige Südkoreanerin hat sich mit ihrer ersten Oscar-Nominierung aber mit ihrem SAG- und BAFTA-Gewinn (und einigen Kritikerpreisen) mittlerweile einen kleinen Favoritenplatz ergattert. Maria Bakalova (Borat Subsequent Moviefilm) hat den Critics´Choice Award gewonnen, bei den Golden Globes war sie für die Kategorie Beste Hauptdarstellerin (Comedy/Musical) nominiert. Den Golden Globe für die Kategorie Beste Nebendarstellerin hat Jodie Foster (The Mauritanian) gewonnen, die wiederum ist aber nicht für den Oscar nominiert. Toll und verdient wäre natürlich Olivia Colman. 

Bester Hauptdarsteller: 

Nominiert sind:

Riz Ahmed (Sound of Metal)

Chadwick Boseman (Ma Rainey´s Black Bottom)

Anthony Hopkins (The Father)

Gary Oldman (Mank)

Steven Yeun (Minari

Relativ wahrscheinlich geht der Oscar an: Chadwick Boseman (Ma Rainey´s Black Bottom), posthum

Chadwick Boseman ist im letzten Jahr nach einer langjährigen Krankheit verstorben. „Ma Rainey´s Black Bottom“ war sein letzter Film. Der Film wurde erst nach seinem Tod veröffentlicht. Der „Black Panther“-Star wurde schon früh für einen posthumen Oscar gehandelt (auch für seine Performance in „Da 5 Bloods“). Für „Ma Rainey´s Black Bottom“ wurde er mit dem Golden Globe, Critics´Choice Award, SAG und vielen Kritikerpreisen ausgezeichnet. Den Preis der Britischen Film Academy (BAFTA) hat Anthony Hopkins (The Father) gewonnen. Ich wünschte der würde auch den Oscar gewinnen, die Chance ist aber relativ gering. 

Beste Hauptdarstellerin:

Nominiert sind:

Viola Davis (Ma Rainey´s Black Bottom)

Andra Day (The United States vs. Billie Holiday)

Vanessa Kirby (Pieces of a Woman)

Frances McDormand (Nomadland)

Carey Mulligan (Promising Young Woman)

Relativ wahrscheinlich geht der Oscar an: völlig offen

Das ist wirklich die spannendste Kategorie der Oscar-Nacht. Hier gibt es keinen Favoriten. Den Golden Globe haben Andra Day (The United States vs. Billie Holiday) und Rosamund Pike (I Care a Lot – sie ist aber nicht für den Oscar nominiert) gewonnen, meistens gewinnen die Globe-Gewinner in dieser Kategorie auch den Oscar. Den Critics´Choice Award hat Carey Mulligan (Promising Young Woman), den SAG hat Viola Davis (Ma Rainey´s Black Bottom) und den BAFTA hat Frances McDormand (Nomadland) gewonnen. Mit Ausnahme von Vanessa Kirby hat also jede der Nominierten einen, mehr oder weniger wichtigen Preis gewonnen. Viola Davis könnte Geschichte schreiben, als erste schwarze Schauspielerin, die zwei Oscars gewinnt und nach Halle Berry (vor 21 Jahren für Monster´s Ball) erst zweite schwarze Schauspielerin, die mit dem Oscar als Beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wird. Frances McDormand könnte ihren 3. Schauspieloscar gewinnen und könnte in der Oscar-Nacht sogar noch einen weiterer Oscar (als Produzentin, sollte „Nomadland“ Bester Film gewinnen) auch gleich einsacken. Momentan neige ich dazu, Viola Davis für meine Wette mit meinem Kumpel zu nehmen. Ich hoffe allerdings auf Carey Mulligan. Wie gesagt, diese Kategorie ist die spannendste am nächsten Sonntag.

Beste Regie:

Nominiert sind: 

Thomas Vinterberg (Another Round)

David Fincher (Mank)

Lee Isaac Chung (Minari)

Chloé Zhao (Nomadland)

Emerald Fennell (Promising Young Woman)

Relativ wahrscheinlich sicher geht der Oscar an: Chloé Zhao (Nomadland)

Ich liste hier nicht alles, was Chloé Zhao gewonnen hat, extra auf. Sie hat quasi alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Chloé Zhao wäre, nach Kathryn Bigelow, die den Regieoscar für „The Hurt Locker“ gewann, erst die zweite Frau, die mit dem Oscar in der Kategorie Beste Regie ausgezeichnet wird. Dieses Jahr wurde Chloé Zhao zum ersten Mal für den Oscar nominiert, sie ist in drei weiteren Kategorien (als Produzentin, Drehbuchautorin und Cutterin ihres Filmes) nominiert und könnte theoretisch in einer Oscar-Nacht vier Oscars gewinnen. 

Bester Film:

Nominiert sind:

Was für ein exzellenter Oscar-Jahrgang, das muss ich an dieser Stelle mal erwähnen. Fünf der acht nominierten Filme (Nomadland, Sound of Metal, Mank und Promising Young Woman und The Father) haben es in meine Top Ten 2020 bzw. Letzterer in meine Top Ten für das Jahr 2021 geschafft.

Relativ wahrscheinlich geht der Oscar an: Nomadland, aber… 

diese Kategorie ist nicht so sicher wie Beste Regie. Es immer noch ein Rennen, dass sich zwischen „Nomadland“, „Promising Young Woman“ und „Minari“ und „The Trial of the Chicago 7“ entscheiden wird. Letzteren habe ich – nach dem Gewinn des großen Preises der Schauspielgewerkschaft – wieder mit aufgenommen. 

„Nomadland“ hat den Publikumspreis des Toronto International Film Festivals gewonnen (wie auch z.B. spätere Oscar-Gewinnerfilme wie. „Green Book“, „12 Years a Slave“, „The King´s Speech“ zuvor), den Goldenen Löwen des Venice Film Festivals, der Film war in dieser Oscar-Saison der Liebling der Filmkritiker, hat den Golden Globe/ Bestes Drama, den Critics´Choice Award, den Preis der Gewerkschaft der Regisseure und der Produzenten und den BAFTA gewonnen. Wir erinnern uns an „La La Land“, der hatte auch den Publikumspreis in Toronto gewonnen, wurde mit vielen Kritikerpreisen ausgezeichnet, war – wie „Nomadland“ – nicht für den Ensemble-Preis der Schauspielgewerkschaft nominiert, hat den Golden Globe/Best Musical, den Critic´s Choice Award, den Preis der Gewerkschaft der Regisseure und der Produzenten und schließlich den BAFTA gewonnen, der Oscar ging dann aber erfreulicherweise an „Moonlight“. 

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein Film allein den Oscar als Bester Film gewinnt. Mindestens ein weiterer (wichtiger) Oscar steht dem BP-Gewinner zur Seite. Bei „Nomadland“ ist es Beste Regie (und vielleicht Beste Kamera, Bestes adaptiertes Drehbuch und möglicherweise Beste Hauptdarstellerin), Bei „Promising Young Woman“ ist es wahrscheinlich das Beste Originaldrehbuch (und möglicherweise Beste Hauptdarstellerin), bei „Minari“ ist es wahrscheinlich die Beste Nebendarstellerin, bei „The Trial of the Chicago 7“ ist es wahrscheinlich Bester Schnitt (mit viel Glück sogar Bestes Originaldrehbuch). Am Ende der Oscar-Verleihung können wir sagen, war doch klar, dass „Nomadland“ gewinnt, es wäre aber keine große Überraschung, wenn einer der anderen drei Filme den Oscar als Bester Film gewinnt. Eine Überraschung für mich wäre, wenn „Sound of Metal“ oder „The Father“, ganz zu schweigen von „Mank“ und „Judas and the Black Messiah“ den großen Preis gewinnt.

Die wichtigsten Filme, die in irgendeiner Kategorie nominiert sind, habe ich gesehen. Es gibt aber einige, die ich angefangen habe und dann keine Lust mehr hatte, sie weiter zuschauen oder Filme, die mich gar nicht interessieren. Dann gibt es noch ein paar wenige Filme, die würde ich gerne sehen, hatte bisher aber nicht die Gelegenheit dazu. Filme, die ich nicht gesehen habe sind folgende: „The United States vs. Billie Holiday“, „One Night in Miami“ (habe immer noch nur rund 40 Minuten geschaut), „The White Tiger“, „Over the Moon“ (wollte ich immer mal zu Ende schauen), „A Shaun the Sheep Movie: Farmageddon“, „Better Days“ (versuche ich noch zu gucken), „The Man Who Sold His Skin“, „Time“ (habe ich angefangen), „Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga“ (ich finde es schon unerträglich, dass dieser unsägliche ESC in einem Atemzug mit den Oscars genannt werden kann), „Greyhound“ und die ganzen Kurzfilme. Vielleicht schaffe ich es noch bis Samstag (bis zu meiner Wette mit meinem Kumpel), die zu schauen, ansonsten muss ich mir die Inhaltsangaben der einzelnen Filme durchlesen und dann prognostizieren, welcher Film in der jeweiligen Kategorie gewinnt. 

Ich freue mich auf Steven Soderberghs Oscar-Spektakel 2021 

Hier die Trailer von allen acht Filmen, die in der Kategorie Bester Film nominiert sind: 

6 Gedanken zu “Die 1. Oscar-Verleihung während der Corona-Pandemie und meine finale Analyse zu den Oscar-Gewinnern 2021

  1. „The Hurt Locker“ ist doch noch keine einundzwanzig Jahre her?
    Bei den Prognosen gehe ich mit, bei Bester Hauptdarstellerin bin ich knapp bei Mulligan.
    Dieser unsägliche ESC ist der größte Musikwettbewerb der Welt und Europas größte TV Show mit einer eingeschworenen Fangemeinde, auf die man genauso gucken kann wie bei den Oscars. Für die Kategorie, wo der Film nominiert ist, ist er übrigens meines Erachtens völlig zu Recht nominiert und eigentlich müsste er ihn auch gewinnen, wenn man aus Proporzgründen nicht Diane Warren auszeichnet

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    • Oh danke, das wollte ich eigentlich bei Halle Berry einbauen.😏 Ist korrigiert. 👍

      Der ESC mag sicher seine Fangemeinde haben (ich persönlich kenne keinen, der diese Show „ernsthaft“, also ohne sich über die Show und die Kandidaten lustig zu machen) guckt. Verbunden mit einer großen Gruppe und einem Trinkspiel habe ich das vor 20 Jahren auch mal geguckt. 😃

      Ich vermute eher, dass der an den, für 2 Oscars nominierten Leslie Odom Jr. geht. Ist aber eh ne Kategorie, die mich kaum, bis gar nicht interessiert.

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      • Der ESC hat im Vergleich zu früher einen Vorteil, er ist selbstironisch, auch wenn die Teilnehmer in der Regel um den Sieg kämpfen wollen und ja man kann das ironisch gucken und es ist wahrscheinlich ein Generationending. In meiner Generation ist er wieder wesentlich populärer als in den Generationen, die mit den 80er/90er ESCs aufgewachsen sind.

        Könnte auch sein, aber die Kategorie hat auch ihren Reiz verloren, da es kaum noch echte Filmsongs gibt (drei der nominierten Songs kommen nur im Abspann)

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      • Ich weiss nicht, ob der ESC nicht auch früher schon selbstironisch aufgezogen wurde. Für uns war das und und auch die meiste Musik, die seinerzeit in den Charts platziert war, uncool und verpönt. Ich kennen nun heute auch einige Anfang/Mitte 20-Jährige, die würden den ESC im Leben nicht gucken. Aber gut die Gay-Community feiert den ESC natürlich auch jedes Jahr und jedem das Seine. 😃

        Soweit ich weiss, ist es nur ein Song (dieser ESC-Song), der während des Films vorkommt, die anderen vier während des Abspanns.

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      • Früher war das stocksteif (also bis Ende der Neunziger). Dank der Gay Community und der Osteuropäer sowie Skandinavier ist er es nicht mehr. Ich kenne mehr Leute die den ESC verfolgen als die Oscars^^

        Ja und das ist nicht Sinn der Sache meiner Meinung nach

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      • Ich kenne – ehrlich gesagt – auch kaum einen Deutschen, der die Oscars schaut und live schon mal gar nicht. 😃Das Interesse ist auf dieser Seite des Atlantiks nicht sonderlich groß.

        Mir ist der Score im Film wichtiger.

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