Montréal – Film: „Arrival“


Ich war am 16.11.16 in Montreál und am 25.11.16 in Chicago und habe mir folgenden Film im Kino angeschaut:

 

 

„Arrival“ (dt. Kinostart: 24.11.16) 117 min sci-fi, drama, adaptation
dir. Denis Villeneuve cast: Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker, Michael Stuhlbarg, Tzi Ma, Mark O´Brien

 

 

Zwölf außerirdische Raumschiffe sind plötzlich an verschiedenen Plätzen der Erde aufgetaucht. Niemand kann sich erklären, warum. Alle Versuche mit den Außerirdischen zu kommunizieren, scheitern. Die amerikanische Regierung beauftragt Colonel Weber (Forest Whitaker), ein Team aus Wissenschaftlern zusammenzustellen. Die Sprachprofessorin Dr. Louise Banks (Amy Adams) und der Mathematikwissenschaftler Dr. Ian Donnelly (Jeremy Renner) haben die Aufgabe, die Sprache der Aliens zu entschlüsseln und damit den Grund des Besuches der Außerirdischen herauszufinden…

 

 

A- (Wertung von A bis F) „Arrival“ basiert auf Ted Chiangs Kurzgeschichte „Story of Your Life“. Es ist der neue Film des kanadischen Filmemachers Denis Villeneuve (Incendies, Prisoners, EnemySicario). „Arrival“ ist nach den drei letztgenannten Filmen der vierte englisch-sprachige Film des Regisseurs.

Auf dem Papier erzählt „Arrival“ eine ganz simple Geschichte, am Ende hat man aber einen sehr komplexen Film gesehen über den man noch eine Weile grübeln und diskutieren kann. Der Zuschauer, der ausschließlich konventionelles, actionreiches Sci-Fi-Kino mag, gerne an die Hand genommen und durch einen Film geführt wird, schlichtweg alles erklärt bekommen möchte, wird mit diesem Film gar nichts anfangen können. „Arrival“ gibt keine Erklärungen, er stellt Fragen.

„Arrival“ ist ein ruhig, langsam, aber durchaus fesselnd erzählter und – vor allen Dingen – gut durchdachter Erwachsenen-Sci-Fi-Film mit interessanten philosophischen Ansätzen. Hauptsächlich ist es ein Film über Kommunikation und Sprache.

Es empfiehlt sich, den Film ein zweites Mal zu sehen. Auch oder gerade wenn man bei der ersten Sichtung bereits rechtzeitig eine „Auflösung“ erkannt hat und damit den Rest des Film in einem anderen Licht sehen konnte, hält der Film ganz sicher auch beim zweiten Mal noch einiges parat. Der Film ist von einer minimalistischen Schönheit und hat einen imposanten Sound und Score. Die beeindruckenden Bilder stammen von dem afroamerikanischen Kamerakünstler Bradford Young (Ain´t Them Bodies Saints, Selma, A Most Violent Year, Pawn Sacrifice).

Bevor man sich diesen Film anschaut, sollte man so wenig wie möglich darüber gehört oder gelesen haben. Ganz unbelastet sollte man sich auf die Geschichte einlassen, in diese Welt eintauchen und das für sich herausziehen, was man möchte. Da ich meine Gedanken und Interpretationen zu dem Film festhalten wollte, habe ich mich dazu entschieden, mit Ankündigung zu spoilern. Unterteilt habe ich es in einen kleinen Spoiler (der im Groben beschreibt, worum es in dem Film geht) und einen großen Spoiler (der sich mit der, von Amy Adams brillant verkörperten zentralen Figur beschäftigt).

 
spoiler

Wie nähert man sich einer völlig fremden Spezies? Wie kommuniziert man mit Fremden, wenn deren Sprache nicht das Geringste mit der eigenen oder einer anderen bekannten Sprache zutun hat? Jeder, der schon mal eine fremde Sprache erlernt hat, weiß, dass, wenn man die Sprache immer besser beherrscht, man irgendwann in dieser fremden Sprache denkt. Wenn sich das Sprachverständnis weiter verbessert, träumt man sogar in der fremden Sprache. Viele Worte haben in jeder Sprache unterschiedliche Bedeutungen, wie leicht ist es, gewisse Worte falsch zu interpretieren? In meinem Job als Flugbegleiterin werden wir ständig geschult, einer der wichtigsten Seminare im Umgang mit internationalen Gästen ist „Interkulturelle Kommunikation“. Wie geht man mit fremden Kulturen um, welche Besonderheiten der unterschiedlichen Mentalitäten muss man beachten? Worauf muss man achten, um beispielsweise einen japanischen Gast nicht vor den Kopf zu stossen, etc.? Wie verhält man sich in den einzelnen Ländern, was sind die Dos and Don´ts, die Verhaltensweisen in dem jeweiligen Land? Für die Sprachwissenschaftlerin Louise in „Arrival“ gibt es keinen Leitfaden im Umgang mit den Aliens. Also, zurück zur Ausgangsfrage: Wie nähert man sich dieser fremden Spezies? Was ist, wenn man die Kommunikation mit den Außerirdischen und das Erlernen ihrer Sprache auch noch unter erschwerten Bedingungen (Zeitdruck) durchführen muss? Eigentlich ist es ein langwieriger Prozess, aber die amerikanische Regierung wird langsam ungeduldig und will endlich wissen, warum die Aliens in Montana gelandet sind. Sind sie in friedlicher oder kriegerischer Absicht hier?

Und was ist, wenn man nicht die einzige Nation ist, die mit dieser fremden Spezies konfrontiert wird? Wie gehen die anderen Regierungen mit einer nie da gewesenen Situation um? In diesem Film sind es 12 Nationen, zum Teil Großmächte, die mit der gleichen Situation umgehen müssen. Wie läuft die Kommunikation zwischen den einzelnen Ländern? Tauscht man sich mit den anderen Nationen aus oder löst jedes Land für sich das Problem? Was ist, wenn eine Nation nicht so offen und geduldig ist, wie eine andere, das Dasein der Außerirdischen als Bedrohung einschätzt und militärisch vorgehen will? Was ist die Konsequenz eines solchen Handelns?

spoiler Ende

 
SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER

Die Protagonistin Louise (die zweifelsfrei smarteste Person des Films) ist Linguistin und geht offen auf die Aliens zu, lässt sich auf sie ein und möchte sie verstehen und deren Sprache erlernen. Wie ein fremder Kulturkreis tickt, erkennt man daran, wie dieser seine Sprache nutzt. Die Sprache der Außerirdischen basiert auf Zeit. Dadurch dass Louise die Sprache der Aliens immer besser versteht, hat sie irgendwann die Gabe, die Zeit nicht nur linear zu sehen. Sie sieht die Zeit/das Leben (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) als Ganzes. Im Film hat Louise Visionen, einzelner Lebensabschnitte, die in ihrer Zukunft liegen. Dabei gibt es viele schöne Erlebnisse, aber auch schmerzhafte Schicksalsschläge, die in ihrem Leben auf sie zukommen. Wird sie sich trotzdem für dieses Leben entscheiden? Wenn man weiß, dass eine Beziehung endet, geht man sie trotzdem ein? Wenn man weiß, dass sein Kind sterben wird, entscheidet man sich trotzdem dafür, dieses Kind zu bekommen? Im Film denkt man am Anfang, Rückblenden zu sehen, am Ende stellt sich heraus, dass dies Vorschauen auf Louises Zukunft sind. Der Film ist nicht linear erzählt. Mir war das selbstverständlich auch nicht von Beginn an klar, irgendwann gibt der Film aber Hinweise darauf.

 
SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER   –  Ende

 
Der Film hat bei mir nach der ersten Sichtung nicht die volle Punktzahl erreichen können. Beispielsweise konnte ich mir die plötzlichen Untertitel nicht erklären. Ich bin gespannt darauf, wie der Film bei der zweiten Sichtung wirkt.

 

A (Wertung von A bis F) „Arrival“ gewinnt tatsächlich nochmal durch die zweite Sichtung, auch habe ich keine Probleme mit den Untertiteln mehr. Damit ist „Arrival“ festgesetzt in meiner Top Ten für Filme aus dem Jahr 2016.

 
„Arrival“ ist für einige Oscar-Nominierungen im Gespräch, u.a. Bester Film, Beste Regie, Beste Hauptdarstellerin (Amy Adams), Bester Nebendarsteller (Jeremy Renner, Forest Whitaker), Bestes adaptiertes Drehbuch und einige technische Kategorien. Update: „Arrival“ wurde für insgesamt 8 Oscars nominiert, in den Kategorien: Bester Film, Beste Regie, Bestes adaptiertes Drehbuch, Bester Schnitt, Beste Kamera (hier hat der erste afroamerikanische Kameramann Bradford Young eine Nominierung erhalten, der erste schwarze Kameramann war Remi Adefarasin für „Elizabeth“), Bestes Szenenbild, Bester Ton, Bester Tonschnitt. Gewonnen hat „Arrival einen Academy Award (Bester Tonschnitt). 

„Arrival“ wurde erstmalig auf dem Venice International Film Festival 2016 gezeigt. Dort hat der Film den Future Film Festival Digital Award gewonnen. Der Film ist am 11.11.16 landesweit in die amerikanischen und kanadischen Kinos gekommen. In Deutschland startet der Film am 24.11.16.

 

 

Trailer zu sehen:

 

 

 

 
vorgeschaltete Trailer:

Trailer v. Film: „Collateral Beauty„
Bewertung des Trailers: B- (neuer Trailer)
Kommentar: Drama mit Will Smith, Edward Norton, Keira Knightley, Naomie Harris und Kate Winslet – der Film sieht aus wie ein Oscar-Film, warum ist er nicht mehr im Gespräch?
Wie oft schon im Kino gesehen: 3 x
Wahrscheinlichkeit, dass ich den Film anschaue: 100%

Trailer v. Film: „A Cure for Wellness„
Bewertung des Trailers: A
Kommentar: Wow – Gore Verbinskis neuer Film, Thriller mit Dane DeHaan
Wie oft schon im Kino gesehen: 0 x
Wahrscheinlichkeit, dass ich den Film anschaue: 100%

Trailer v. Film: „Office Christmas Party„
Bewertung des Trailers: B+ (neuer Trailer)
Kommentar: Komödie mit Jason Bateman und ja, leider Jennifer Aniston
Wie oft schon im Kino gesehen: 1 x
Wahrscheinlichkeit, dass ich den Film anschaue: mal gucken

Trailer v. Film: „Allied„
Bewertung des Trailers: C+
Kommentar: Robert Zemeckis neuer Film mit Marion Cotillard und Brad Pitt.
Wie oft schon im Kino gesehen: 0 x
Wahrscheinlichkeit, dass ich den Film anschaue: 100%

 

amerikanisches Filmplakat von "Arrival"
amerikanisches Filmplakat von „Arrival“

 

14 Gedanken zu “Montréal – Film: „Arrival“

  1. Entgegen meiner sonstigen allgemeinen Neugier habe ich deine Spoiler nicht gelesen. Am nächsten Wochenende werde ich ihn mir ansehen. Für mich gehört er gemeinsam mit „Gravity“, „Interstellar“ und „Der Marsianer“ in die „Weltraumfilm-im-Herbst-Reihe“ der letzten Jahre.

    Gefällt 1 Person

  2. Für mich war es schwierig zu entscheiden, wenn ich das überhaupt machen wollte, was hier im Vordergrund stand: der SF oder eine Lebens- und Liebesgeschichte.
    Jóhannsson trieb mir bereits in den ersten Minuten die Tränen in die Augen und natürlich wirft der Film viele Fragen auf, die Untertitel waren da bei mir eher zweitrangig :)) Ich denke sie sollten das Verständnis der fremden Sprache nur beschleunigen.
    Auf jeden Fall ist dies einer der ersten Filme, die sich einigermaßen ernsthaft mit der Schwierigkeit beschäftigt sich mit fremden Kulturen und in unbekannten Sprachräumen zu verständigen. Das fand ich sehr bemerkenswert. Ob die Zeit an und für sich überhaupt existiert will ich jetzt mal nicht vertiefen, dass sie keinesfalls linear verläuft ist für uns natürlich schwer fassbar, wird aber tatsächlich so sein; ein Grund warum Louises Paradoxon funktionierte.
    Insgesamt hat mich der Film schwer beeindruckt und echt berührt, insbesondere Louises Entscheidung, die meiner Meinung nach auch stellvertretend für werdende Eltern steht, die sich für ein krankes Kind entscheiden. Aber man kann wie Du schon sagtest viel über den Film nachdenken und reden und unterschiedlich interpretieren. 🙂

    Gefällt 1 Person

    • Definitiv kann man den Film ganz unterschiedlich interpretieren.

      Ich sehe es so, dass vordergründig Louises (Lebens-) Geschichte erzählt wird. Die Liebesgeschichte ist kaum da, eher das Entstehen und das Scheitern selbiger. Durch die Aliens, also den Sci-Fi-Part und deren „Geschenk“ wird ihr Leben erst sichtbar. Für mich ist es ein sehr smarter Film über Kommunikation und Sprache.

      Ich fand den Film auch rührend, aber komischerweise sind mir nicht die Tränen gelaufen. Meine Kollegin hat das Kino beinahe unter Wasser gesetzt. :))

      Na mit den Untertiteln hat mich schon gestört, wenn man bedenkt wie ewig es gedauert hat, bis einzelne Worte überhaupt übersetzt werden konnten und plötzlich sind ganze klare Sätze gebildet. Das ging mir etwas zu schnell. Insbesondere wenn die Haupt-Alien-Geschichte ja auch nur ca. einen Monat andauert.…also nach unserem Zeitverständnis.

      Ich habe mich übrigens gefragt, ob Hannahs Name nur zufällig gewählt wurde oder ob man den Film auch als Palindrom sehen kann. Ich freue mich schon darauf, ihn ein zweites Mal zu sehen.

      Ich glaube, dass sich Mütter (oder Väter) noch mehr mit Louises Leben/Schicksal identifizieren können.

      Gefällt 1 Person

      • Ja klar ist es erstrangig Louises Lebensgeschichte; die Ursprungsgeschichte hatte ja auch entsprechenden Titel und ja Liebesgeschichte ist übertrieben, es ist ja nur ein Bestandteil ihres Lebens sowie es eine Geschichte über Kommunikation und Sprache ist, wobei ich hier nicht wichten will.
        Bestimmt ist „Hannah“ bewusst gewählt und auf den ganzen Film übertragbar, denn er fing auch mit dem Ende an.
        Nee als die Musik anfing kamen mir die Tränen :)) Habe aber nicht die ganze Zeit geflennt, ich fand Amy Adams einfach so gut und die Bilder so schön ohne dass es rührselig gewesen wäre.

        Gefällt 1 Person

      • Kommentar sollte nicht von jenen gelesen werden, die den Film noch nicht gesehen haben.

        Die Untertitel kommen daher, da der Zuschauer den Moment aus der Sicht von Luise sieht (und es ist schwer in einem Film in den Kopf des Protagonisten einzutauchen; andere Möglichkeit wäre noch ein VoiceOver gewesen). Louise selbst versteht die Sprache, weil sie diese in der Zukunft entschlüsselt hat und kurz zuvor hat sie sich daran erinnert – die Szene mit ihrem Buch über die Sprache.
        Also von dem her sehe ich (für mich) kein Problem mit den Untertiteln.

        Gefällt 1 Person

  3. Aha, also Du meinst man kann den Film sowohl vorwärts wie rückwärts gucken? Mmmh…wäre natürlich ziemlich raffiniert.

    Ja die Musik war klasse, auch diese Terrence-Malick-Bilder. Das wäre auch nicht schlimm, wenn Du die ganze Zeit geflennt hättest. Amy Adams ist so gut, dass man sie beinahe schon für selbstverständlich nimmt.

    Gefällt 1 Person

    • Sehr gut, so ist es gedacht. Ich wünsche Dir einen schönen Kinoabend. 🙂

      Grundsätzlich kann die Academy nichts mit Sci-Fi anfangen, das stimmt. Es gibt natürlich immer Ausnahmen, z.B. „Gravity“. „Arrival“ ist auch kein klassischer Sci-Fi-Film, es geht um so viel mehr. Ich bin derzeit bei meiner November-Prognose und momentan denke ich, dass er eine Nominierung als Bester Film schafft. Auf der anderen Seite hat der Sci-Fi-Film aus dem letzten Jahr (Ridley Scotts „The Martian“) es am Ende auch nicht geschafft. Amy Adams – so großartig sie hier auch ist – hat vielleicht eine zu starke Konkurrenz dieses Jahr. Keine Kategorie hat in dieser Oscar-Saison eine so starke Konkurrenz wie die der Besten Hauptdarstellerin – normalerweise ist es Bester Hauptdarsteller. Na mal sehen.

      Gefällt 1 Person

      • Danke für deine ausführliche Analyse. Ich bin immer über deine Informiertheit beeindruckt, die zwischendurch so durchkommt und sicherlich noch zurückhaltend ist. 😉 Auf das Genre hätte ich es nicht primär gar nicht so zurückgeführt, finde es aber interessant, da mir diese Mechanismen der Academy oft fremd sind. Hätte es eher aufgrund der Umsetzung vermutet. Gravity hatte ja wenigstens eine, wie soll ich sagen, Punchline, bei Arrival sieht mir das nicht so aus, aber ich werde es morgen erfahren! 🙂

        Gefällt 1 Person

Hinterlasse eine Antwort zu flightattendantlovesmovies Antwort abbrechen

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..