Hamburg – Film: „May December“


Ich war am 03.10.23 in Hamburg und habe mir folgenden Film im Kino angeschaut:

„May December“ (in D. ab dem 1.12.23 auf Netflix) 119 min drama, comedy

dir. Todd Haynes  cast: Natalie Portman, Julianne Moore, Charles Melton, Piper Curda, Cory Michael Smith, D. W. Moffett, Elizabeth Yu, Gabriel Chung

Elizabeth Berry (Natalie Portman) ist eine bekannte TV-Schauspielerin und gerade in Savannah angekommen. In ein paar Wochen beginnen die Dreharbeiten zu ihrem neuen Film. Sie soll darin Gracie Atherton-Yu (Julianne Moore) porträtieren, deren Lebensgeschichte verfilmt wird. Gracie war damals groß in den Schlagzeilen, weil sie mit Mitte 30 eine Affäre mit einem 13-Jährigen Jungen angefangen hat. Die beiden wurden erwischt, Gracie dafür angeklagt und verurteilt. Nachdem sie ihre Gefängnisstrafe abgesessen hat, heiratete sie ihren, mittlerweile volljährigen Liebhaber und hat mit ihm und den gemeinsamen Kindern zusammengelebt. Zwanzig Jahre sind jetzt vergangen, die Zwillinge des Paars, Mary (Elizabeth Yu) und Charlie (Gabriel Chung) machen gerade ihren Highschool-Abschluss. Nun tritt also der Fernseh-Star Elizabeth Berry in das Leben der Familie. Zur Vorbereitung auf ihre Rolle, möchte die möglichst viel erfahren, das löst aber bei Gracie und Joe (Charles Melton) etwas aus, beide haben vielleicht nie das damalige Geschehen richtig verarbeitet…

B- (Wertung von A bis F) „May December“ wurde vage von dem Skandal einer amerikanischen Lehrerin zu ihrem Schüler inspiriert und wurde frei von der Story von Samy Burch und Alex Mechanik nacherzählt. Es ist der neue Film des amerikanischen Filmemachers („Velvet Goldmine“, „Far from Heaven“, I´m Not There, Carol, Dark Waters) und Drehbuchautors („Far from Heaven“, „I´m Not There“) Todd Haynes. Das Drehbuch zu „May December“ hat Samy Burch geschrieben. 

Dunkel konnte ich mich noch an den Fall der amerikanischen Lehrerin Mary Kay Letourneau, die mit Mitte Dreißig eine Beziehung zu ihrem 12-jährigen Schüler angefangen hat, erinnern. Sie sollte zu einer 7 1/2-jährigen Gefängnisstrafe verurteilt werden, erreichte aber durch eine Vergleichsvereinbarung und mit der Auflage, sich dem Schüler lebenslang nicht mehr zu nähern, dass sie nur eine sechsmonatige Gefängnisstrafe absitzen musste. Nachdem sie dann aber erneut mit dem Schüler auf frischer Tat erwischt wurde, musste sie die komplette Gefängnisstrafe von 7 1/2 Jahre absitzen. Noch vor der Urteilsverkündung hat Mary Kay Letourneau ein Kind von dem Schüler bekommen und ein weiteres Kind dann während ihres Gefängnisaufenthalts. Nach dem sie die vollständige Haftstrafe abgesessen hat, heiratete sie ihren damaligen, dann volljährigen Schüler. Die Ehe hielt 14 Jahre. Die in „May December“ erzählte Geschichte ist nur angelehnt an den damaligen Skandal und beginnt auch erst rund zwanzig Jahre danach. 

Auf dem Papier fand ich die Story um eine Schauspielerin, die Recherche für ihre neue Rolle in einem Biopic betreibt, indem sie sich mit der realen Persönlichkeit, die sie spielen wird, trifft, interessant. 

Rund zwanzig Jahre sind seit dem Skandal mittlerweile vergangen als die Schauspielerin bei der Familie eintrifft. Sie ist, durch die damalige Berichterstattung, voreingenommen. Nun begleitet sie die Familie für ein paar Tage, beobachtet, macht sich Notizen und stellt Fragen, nimmt so viele Informationen wie möglich auf. Die Schauspielerin sucht die Wahrheit hinter den damaligen Schlagzeilen und will ihrer Rolle bestmöglich gerecht werden. Sie versucht dabei, möglichst viel (beispielsweise die Art zu sprechen) von der Person, die sie spielen soll, aufzunehmen. Ihre Präsenz wühlt aber Joe und auch seine dreiundzwanzig Jahre ältere Frau Gracie auf. Die beiden haben sowieso gerade eine Lebensveränderung anstehen, weil ihre beiden Kinder ihren Highschool-Abschluss machen und demnächst aufs College gehen. 

Todd Haynes erzählt die Geschichte ruhig und mit Bedacht. Es ist eher eine Charakterstudie über die Schauspielerin Elizabeth und über Gracie und Joe. Alles komplizierte, komplexe Charaktere. Wenn ich über den Film schreibe, gefällt er mir besser, als noch im Kino. Seltsam. Erwähnen möchte ich, dass es kein reines Drama ist, es gibt durchaus einiges zu lachen. Einprägsam ist die Musik. Am meisten hat mich der Film daran erinnert, dass ich schon ewig einen Roadtrip durch die amerikanischen Südstaaten machen will… 

Schauspielerisch ist Natalie Portman in einem längeren Monolog, in der sie in die Rolle der Gracie schlüpft, richtig gut. 

Julianne Moore arbeitet mit diesem Film (und nach „Safe“, „Far From Heaven“, „I´m Not There“ und „Wonderstruck“) bereits das fünfte Mal mit Todd Haynes zusammen. Schon öfter ist mir aufgefallen, dass man bei Julianne Moore bei Nahaufnahmen mit einer weichen Ausleuchtung arbeitet. Mich irritiert das, ich finde Weichzeichner völlig unnötig.

In den Himmel gelobt wird die Performance von Charles Melton, das konnte ich gar nicht nachvollziehen. Dafür war ich begeistert von Cory Michael Smith, der hier Gracies erwachsenen Sohn aus erster Ehe spielt. Der Schauspieler ist mir bereits in dem Film Call Jane aufgefallen, da fand ich ihn allerdings nicht perfekt gecastet, in „May December“ schon.  

„May December“ ist für einige Oscar-Nominierungen im Gespräch, u.a. Bester Film, Beste Regie, Beste Hauptdarstellerin (Natalie Portman), Bester Nebendarsteller (Charles Melton), Beste Nebendarstellerin (Julianne Moore), Bestes Originaldrehbuch Update: „May December“ wurde für einen Oscar (Bestes Originaldrehbuch) nominiert

„May December“ wurde erstmalig auf dem Cannes Film Festival 2023 gezeigt. Der Netflix-Film soll am 17.11.23 in einigen ausgewählten amerikanischen Kinos starten. Ab dem 1.12.23 soll der Film dann auf Netflix zu sehen sein. Ich habe den Film auf dem Filmfest Hamburg gesehen, es war die Deutschlandpremiere. Der Film lief in der Sektion Transatlantik und wurde in der OV gezeigt. 

Trailer zu sehen:

4 Gedanken zu “Hamburg – Film: „May December“

  1. Interessantes Thema. Der Film steht daher auf meiner Liste. Wenn es mit dem Kinobesuch nicht klappt, dann eben bei Netflix. In letzterem Fall ist wenigstens garantiert, dass ich die Originalfassung mit Untertiteln schauen kann.

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